grow! Hallo, Nadine, du beschäftigst dich beruflich mit dem Thema Terpene. Was genau machst du? Nadine: Als promovierte Biochemikerin interessiere ich mich sehr für das Thema Terpene und für mögliche pharmakolo- gische Effekte und Zusammenhänge. Als Leiterin der GrünhornAcademy habe ich die Möglichkeit, in unserem Labor zu- sammen mit unserem Chemiker mithilfe eines Geräts mit der Bezeichnung GC-MS (ein Gaschromatograph, der mit einem Massenspektrometer gekoppelt ist), den Terpen-Gehalt und dessen Zusammenset- zung in Cannabisblüten zu analysieren. grow! Ich verstehe. Wie viele Terpene fin- det ihr in einer Cannabisblüte im Durch- schnitt? Nadine: Wenn man Forscher fragen wür- de, die sich bereits intensiv mit diesem Thema beschäftigen und über noch ge- nauere Analyseverfahren verfügen, finden die mittlerweile über 200 unterschied- liche Terpene in Cannabis. In unserem La- bor und mit unserer Methode analysieren wir hinsichtlich Cannabis eine Zahl von 52 Terpenen. Wir finden im Durchschnitt 20 Terpene im Terpenprofil einer Cannabis- sorte. Die einzelnen Terpene können in ihrer Konzentration stark variieren, aber ihre Gesamtzahl liegt in der Regel bei 20. grow! Das sind dann immer dieselben Terpene oder ist die Terpen-Zusammen- setzung unterschiedlich? Nadine: Es gibt ein paar Hauptterpene, von denen man vielleicht schon mal ge- hört hat, wie etwa das Beta-Myrcen, Beta- Caryophyllen, Limonen und auch das Li- nalool. Die kommen häufig vor und lassen sich in vielen Cannabissorten finden. Ich würde sagen, wir sprechen insgesamt von etwa 10 Hauptterpen. Dann gibt es aber noch zahlreiche Terpene, die seltener vorkommen, die aber auch eine spezielle Wirkung haben und mitunter auch quasi den Unterschied ausmachen können. grow! Es gibt doch Zigtausende von Terpenen, und das nicht nur in Cannabis. Nadine: Das stimmt. Ich verweise gerne auf das Linalool, den Namen haben die wenigsten gehört, aber wenn ich sage, dass dies den typischen Lavendelduft ausmacht, dann ist das etwas, was doch irgendwie jeder kennt. Oder das Limonen, das für den Zitrusduft verantwortlich ist, hat wohl jeder schonmal kennengelernt. grow! Wie wird denn herausgefunden, welche pharmakologischen Wirkungen Terpene haben, zusätzlich zu denen der Cannabinoide? Schon die Cannabinoide weisen untereinander eine Wechselwir- kung auf, wie lässt sich da noch heraus- finden, welcher Einfluss von den unter- schiedlichen Terpenen ausgeht? Nadine: Es gibt dafür die klassischen prä- klinischen Studien, bei denen im Labor durch Zellversuche, und zum Teil auch mit Tierversuchen, Reinstoffe untersucht wer- den. Das ist sozusagen der erste Schritt, dass bei solchen Forschungen zuerst die isolierte Substanz untersucht wird und man sich anschaut, welche Wirkungen sie hat. Dafür gibt es verschiedene Settings und Parameter, die immer wieder variiert und getestet werden, und so nähert man sich der Wirkung einer Substanz immer weiter an. grow! Macht ihr auch solche Versuche? Nadine: Nein, solche Versuche machen wir hier nicht. Wir sind Teil des Grünhorn- Netzwerks, und als solche analysieren wir die Terpenprofile der verschiedenen Can- nabissorten mit dem Ziel, Ärzten und Pa- tienten wichtige Informationen liefern zu können. Diese Informationen sollen ih- nen bei der Auswahl der passenden Sor- te helfen, denn mittlerweile ist das An- gebot an medizinischem Cannabis sehr groß und nur noch schwer zu überschau- en. Und da stellt sich gerade für Therapie- Neulinge die Frage: Welche Sorten eig- nen sich denn? In Moment verfolgt man den Ansatz, dass man etwas weggeht von der reinen Betrachtung der Cannabinoid- Gehalte, und sich mehr das gesamte che- mische Profil einer Sorte anschaut, zu dem auch die Terpene gehören. Und das ergibt auch durchaus Sinn, denn man weiß heute, dass Terpene auch eine pharmakologische Wirkung vermitteln können. So können einige Terpene die Wirkung des CBD und THC verstärken, und manche Terpene können auch selbst an die Cannabinoid-Rezeptoren binden und so eine Wirkung erzeugen. Wenn man zum Beispiel gerne eine sedierende Wir- kung möchte, hat es Sinn, nach Sorten zu schauen, die Terpene enthalten, die die- se sedierende Wirkung noch unterstützen können. grow! Ja, das ergibt Sinn. Aber ich frage mich, wie diese Wechselwirkungen von den unterschiedlichen Substanzen er- Cannabis als Medizin forscht werden. Eine Reinsubstanz, wie etwa das Dronabinol, also reines THC, wirkt doch deutlich anders als eine Blüte, die neben dem THC noch zig andere Sub- stanzen enthält. Nadine: Das ist richtig, aber das mit den Wechselwirkungen ist ein schwieriges Thema. Es ist immer noch nicht klar, wo- rauf das Zusammenspiel verschiedener Substanzen beruht. Es gibt den klas- sischen Entourage-Effekt, wo man davon ausgeht, dass sich Substanzen in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Es gibt auch Forscher, die eher den Ansatz wäh- len, dass beispielswiese drei verschie- dene Substanzen gleichzeitig an drei un- terschiedlichen Stellen im Körper wirken müssen, und erst dadurch die eigentliche Wirkung entsteht. Einzeln betrachtet ha- ben diese Substanzen keinerlei Wirkung, nur gemeinsam. Auch dies entspricht dem Entourage-Effekt, wenn auch in einem et- was anderem Kontext. Nichtsdestotrotz beruht auch vieles auf Beobachtung und individueller Erfah- rung, und so kann man schon zum Bei- spiel sagen, dass Cannabissorten mit einem hohen Myrcen-Gehalt eine sedie- rende Wirkung haben. Typischerweise haben Indica-dominante Sorten einen ho- hen Myrcen-Gehalt. grow! Dadurch. dass viele Sorten mitei- nander gekreuzt wurden, gibt es so gut wie keine reinen Indica oder Sativas mehr, sondern „nur“ noch Hybride, die alle möglichen Eigenschaften haben können. Nadine: Ganz genau, das macht es auch so schwer, eine passende Sorte zu finden. Und wie Hybride nun mal so sind, gibt es jetzt auch Mischformen, die sowohl sedie- rend-wirkende, wie das Myrcen, als auch belebend-wirkende und konzentrations- fördernde Terpene, wie das Limonen, in relevanten Mengen enthalten. Aber auch so eine Kombination kann für den Pati- enten sinnvoll sein, wenn er beispielswei- se unter chronischen Schmerzen leidet, aber trotzdem tagsüber im Alltag und Be- ruf funktionieren muss. grow! Wie viele Sorten habt ihr bisher analysiert? Nadine: So ziemlich alle, die man auch im Live-Bestand der Grünhorn-Apotheke fin- det bzw. die erhältlich waren, also über 200 Sorten. 39