In Körpern von Säugetieren scheint das Endocannabinoidsystem verschiedene Aufgaben zu übernehmen und an der Re- gulierung von Funktionen wie Stoffwech- sel, Schmerzempfinden, Gedächtnis und Immunsystem beteiligt zu sein. Es wird vermutet, das CB1-Rezeptoren einen Ein- fluss auf Bewegungssteuerung, Gedächt- nis und Lernprozesse haben könnten, während sich CB2-Rezeptoren modulie- rend auf das Immunsystem auswirken. Der Körper produziert eigene Cannabino- ide bzw. Cannabinoid-Analoga, die soge- nannten Endocannabinoide (endogene, also körpereigene Cannabinoide; endo- gen = im Inneren erzeugt), von denen das Anandamid das Bekannteste sein dürfte – zumal sich die anderen bisher entdeckten Endocannabinoide von chemischen Laien kaum aussprechen lassen (probiert‘s mal mit „-Linolenoylethanolamid“ oder „Do- cosatetraenoylethanolamid“). Die unter- schiedlichen Endocannabinoide docken an die Rezeptoren an und lösen dabei Ef- fekte aus, über die bisher noch nicht viel bekannt ist. Klar ist, dass die Phytocannabinoide des Cannabis an dieselben Rezeptoren an- docken, wie die körpereigenen Endocan- nabinoide. Dabei dockt aber nicht jedes Cannabinoid an jeden Rezeptor an - und auch nicht gleichermaßen intensiv: Einige Cannabinoide fühlen sich von bestimm- ten Rezeptoren stärker angezogen als andere. Man spricht von der Bindungs- affinität. So bevorzugt das THC die CB1- Rezeptoren, besonders im Bereich des Gehirns, während sich etwa das CBD an die CB2-Rezeptoren der Immunzellen bin- det (so ist zu erklären, wieso THC einen Rausch auslösen kann, CBD aber nicht). Um nun zum THC-P zurückzukommen, ha- ben Forschungen gezeigt, dass es wie THC an die CB1-Rezeptoren bindet, allerdings mit einer 33-fachen höheren Bindungsaf- finität. Das hat mit der bereits erwähnten Seitenkette im Molekül des THC-P zu tun: Im Zusammenhang mit synthetisch her- gestellten Cannabinoiden, bei denen der Seitenkette beliebig viele Kohlenstoffa- tome hinzugefügt werden können, hatte sich gezeigt, dass mit länger werdender Seitenkette die Bindungsaffinität wächst. Oder anders ausgedrückt, je mehr Koh- lenstoffatome in den Seitenketten, desto stärker und intensiver ist die Wirkung die- ses Cannabinoids. So wurden in den so- genannten „Spice“-Mischungen synthe- tische Cannabinoide eingesetzt, die eine deutlich längere Seitenkette als das THC- Molekül aufweisen und deutlich stärker – und gefährlicher waren. Während THC als „partieller Agonist“ bezeichnet wird, ge- hören viele der synthetischen THC-Imitate (wie sie in Spice-Mischungen eingesetzt wurden/werden) zu den „Vollagonisten“. Bei einem partiellen Cannabinoid-Ago- nisten erreicht die Wirkung irgendwann ihren höchsten Punkt, und steigt dann nicht weiter an. Man könnte auch sagen, so breit und nicht weiter. Anders sieht es bei einem Vollagonisten aus: Hier steigt die Wirkung immer weiter an, auch über den Punkt hinaus, bei dem die Wirkung von THC stagnieren würde. Je nach Do- sis und persönlicher Konstitution kann das Ganze extreme Züge annehmen - mit nicht weniger extremem Ergebnis: Volla- gonisten können lebensbedrohliche Zu- stände verursachen und haben bereits zum Tod von Menschen geführt. Deshalb ist es in unseren Augen absolut nachvollziehbar, dass die früher als „Le- gal Highs“ verkauften Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden mittler- weile verboten sind. Denn sie können, anders als natürliches THC, bei Überdo- sierung lebensbedrohliche Zustände aus- lösen. Jetzt ist die Frage, ob THC-P auch ein Vollagonist ist und ähnlich gefährliche Nebenwirkungen wie so manches der synthetischen Cannabinoide aufweisen könnte. Die Forschenden haben auf diese Frage noch keine endgültige Antwort ge- ben können. Aber unter uns gesagt, alle Anzeichen sprechen dafür, dass es sich bei THC-P um einen potenten Vollago- nisten handelt, mit allen Vor- und Nach- teilen. Da spielt es auch keine Rolle, dass es auf natürliche Weise in einigen Can- nabissorten vorkommt. Die Konzentrati- on ist dort so gering, dass es erst mit den neuesten Analysetechniken gelang, die- ses Cannabinoid zu entdecken. Und ob und wie es zur psychotropen Wirkung ei- ner Sorte überhaupt beiträgt, ist noch gar nicht erforscht. Wenn irgendwo im Internet oder in Shops Blüten mit THC-P oder HHC angeboten werden, dann sind das sicher keine natür- lichen Cannabinoide. Es ist viel einfacher und billiger, sie aus natürlichem CBD, etwa aus Nutzhanf, synthetisch herzustel- len, also „naturidentisch“ nachzubauen. Chemisch betrachtet besteht dann kein Unterschied zu natürlich vorkommenden THC-P- bzw. HHC-Molekülen. Und auch die Wirkungen und Nebenwirkungen sind identisch. Aber möchte man das wirklich konsumieren? Bei uns in der Redakti- on fand sich niemand, der es ausprobie- ren wollte. Zu unsicher erschien uns das Safer Use Ganze – und mit unkalkulierbarem Risiko. Es ist durchaus möglich, dass sich Can- nabinoide wie HHC oder THC-P im me- dizinischen Bereich, unter Aufsicht von Ärzten, einsetzen lassen und interessante therapeutische Perspektiven eröffnen könnten. Wer aber eigentlich nur einen Joint (oder ähnliches) rauchen möchte, um sich zu entspannen und zu chillen, dem können wir synthetisch hergestell- te Cannabinoide nicht empfehlen. Es be- steht die große Gefahr einer Überdosie- rung mit unangenehmen Folgen, auf die die meisten von uns wohl lieber verzich- ten. Dass es immer noch Blüten mit THC-P und HHC zu kaufen gibt, übrigens gibt es auch das Cannabinoid HHC-P im Handel, heißt nicht, dass dies legal ist. Zwar wird THC-P nicht explizit im NpSG, genannt, aber es ist möglich, dass es unter das Analoga-Gesetz fällt, das auch Substan- zen verbietet, die bereits erfassten Sub- stanzen ähneln oder diese imitieren. Es ist sicher verführerisch, solche Blüten, die aussehen wie „echte“ Marijuana-Blü- ten, mit ein paar Klicks nach Hause zu ho- len. Aber ob man sich damit wirklich einen Gefallen tut, ist fraglich. Seit der Teil-Le- galisierung ist es möglich, dass jeder Erwachsene in Deutschland bis zu drei Cannabispflanzen selbst anbaut. Das ist vielleicht nicht so einfach und schnell ge- macht, wie etwas im Internet zu bestellen, doch dafür kann man sich über den eige- nen gärtnerischen Erfolg freuen und viel- leicht ein neues Hobby finden. Aber noch wichtiger ist, dass man so genau weiß, was man anschließend in der Tüte hat. Es bleibt zu hoffen, dass durch Eigenanbau und Mitgliedschaften in einem der Can- nabisanbauvereine die Nachfrage nach (halb-) synthetisch hergestellten Canna- binoiden einbricht und sich natürliches Cannabis immer mehr durchsetzt. Auch wenn die Forschung über die Can- nabinoide erst gestartet ist, ist schon jetzt klar, dass die unterschiedlichen Cannabinoide in einer natürlichen Hanf- blüte unterschiedliche Wirkungen haben - auch untereinander. Sie wirken wie ein Orchester zusammen, verstärken oder dämpfen sich gegenseitig und tragen dazu bei, dass jede Cannabissorte ihre ganz eigene „Note“ haben kann. Wenn nun ein bestimmtes Cannabinoid heraus- gepickt wird und allein für die Musik sor- gen soll, dann wird es nie diese Fülle und Komplexität erreichen. In etwa so, als solle ein Instrument, womöglich die Pau- ke oder Triangel, allein eine Symphonie zum Besten geben. 47